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So lernt mein Tier - Teil 1 Jungtiere

Nadine Weissheimer • 26. September 2022
So lernt mein Tier

Diese Artikelreihe wird einen kurzen Einblick geben für alle die Lust darauf haben zu verstehen wie ihre Tiere lernen und wie sie Lernerlebnisse gut gestalten können. Es ist und wird nie ein erschöpfendes wissenschaftliches Gesamtwerk mit allen Details sein.

Wer lernt wie? Lernen Jungtiere anders als heranwachsene Tiere im „Teeniealter“ und erwachsene Tiere? Können alte Tiere überhaupt noch irgendwas lernen? Antworten auf diese und ähnliche Fragen werdet ihr in den kommenden Blogartikeln erhalten.

Teil 1: Wie lernen Jungtiere?

Jungtiere befinden sich am Anfang der Hirnreifung, d.h. es sind noch viele grundlegende Prozesse im Gang durch die das Hirn sich ständig verändert. Neue Nervenzellen bilden sich, andere werden kontrolliert „entfernt“ und zwar auch physikalisch denn in diesem Alter werden Gehirnzellen tatsächlich noch auf- und abgebaut. Dieser Prozess nennt sich Hirnreifung und nimmt je nach Spezies viele Jahre in Anspruch.

Wir als Menschen sind ein Beispiel für eine Spezies, die besonders viel Zeit braucht bis das Hirn vollständig ausgereift ist. Die Hirnreife wird durch Lernprozesse beeinflusst, d.h. Lernerfahrungen im Jungtieralter verändern das Gehirn besonders nachhaltig, was aber nicht bedeutet, dass umlernen im Alter unmöglich ist. Von nun an etwas anders zu machen als man es bislang gemacht hat, ist immer mit mehr Energieraufwand verbunden als es beim ersten mal „richtig“ zu lernen. Altes muss ersteinmal „vergessen“ und durch Neues ersetzt werden. Es lohnt sich deshalb darauf zu achten, dass bei unseren Haustieren im Jungtieralter die richtigen Weichen gestellt werden.

Wer jetzt Druck in der Brust verspürt nach dem Motto „ohje wenn ich es da vergeige dann versau ich meinem Tier das Leben“, der atmet einmal tief durch, denn mit Sicherheit ist dem nicht so. Die meisten Menschen, die sich diese Gedanken machen sind ohnehin sehr darauf bedacht alles richtig zu machen und die Sorge bremste sie nur aus. Deshalb: Durchatmen und locker werden.

Jungtiere entdecken die Welt ganz neu und sehen und erleben vieles zum allerersten mal mit all ihren Sinnen. Ihr Aufmerksamkeitsspanne ist dadurch begrenzt und sie brauchen zwischen den Phasen des Erlebens und Lernens viel Ruhe und Regenerationszeit (Schlaf). Diese geben ihrem Gehirn erst die Möglichkeit Gelerntes zu verarbeiten und ins Langzeitgedächtnis zu übertragen.

Dabei sind die grundlegenden Prozesse nach denen Jungtiere lernen exakt dieselben wie bei einem erwachsenen oder alten Tier. Den Unterschied macht die Menge an Informationen, die verarbeitet und gespeichert werden kann. Junge Tiere können sich nur kurz konzentrieren und für sie ist die ganze Welt neu. Es ist viel viel anstrengender etwas komplett neues sich zu erschließen als mit sehr viel Lebenserfahrung auf bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen zu können. Die berühmte Gelassenheit im Alter hat auch darin ihren Ursprung.
Ein Jungtier braucht also in erster Linie ausreichend Ruhe und Schlaf, um gut lernen zu können und die richtigen „Häppchen“ Lernstoff.

Darüber hinaus limitieren körperliche Entwicklungsprozesse was und wieviel in welchem Alter gelernt werden kann. Als Beispiel führe ich gerne einen Hundewelpen an. Der Schließmuskel kann rein biologisch betrachtet vom Welpen erst ab dem ca. 3. Lebensmonat kontrolliert werden. Erwarte ich nun, dass ein jüngerer Welpe bereits perfekt seinen Schließmuskel über mehrere Stunden kontrolliert und nicht mehr in die Wohnung pieselt, dann erwarte ich das Unmögliche. Der Lerninhalt muss also an die körperlichen Vorraussetzungen meines Jungtieres angepasst sein. Zudem: Auch wenn in meinem schlauen Buch steht, dass ab dem 3. Monat der Schließmuskel kontrollierbar ist, bedeutet das noch lange nicht, dass mein individueller Welpe sich auf den Tag genau daran hält. Biologische Unterschiede in der Entwickelung des Körpers sind ganz normal und kein Grund im Training unfair zu werden. Stattdessen sollten wir dem jungen Tier Zeit geben sich in seinem Tempo zu entwickeln.

Gerade beim Training von Jungtieren gilt deshalb: das Jungtier gibt das Tempo vor.

 Take home message


  • Die Hirnreifung ist dafür verantwortlich, dass Jungtiere etwas anders lernen als erwachsene oder alte Tiere.
  • In der Hirnreifung ist das Jungtier besonders offen für bestimmte Lernerfahrungen, deshalb können wir in dieser Zeit besonders gut bestimmte Weichen stellen.
  • Kein Grund zur Panik: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." gilt NICHT. Auch erwachsene Hunde und alte Hunde können umlernen.
  • Ruhe und Regenerationszeiten sind für Jungtiere besonders wichtig, da sie vieles zum ersten mal erleben und erfahren und dies sehr „anstrengend“ ist.
  • Körperliche Entwicklungsprozesse beinflussen die Lerninhalte, wenn körperlich etwas noch nicht geht, sollte es auch nicht auf meinem „Lehrplan“ stehen.
  • Biologische Varianz bedeutet, dass das Individuum sich nicht immer an die Vorgaben im Fachbuch halten muss und auch mal früher oder später dran sein kann. Kein Grund zur Panik oder zum ungerecht werden.


Sehr junge und junge Tiere benötigen noch mehr Schlaf als erwachsene Tiere um Energie für die vielen Neuentdeckungen zu sammeln, die sie jeden Tag machen und das Erlebte zu Verarbeiten.

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