Money money money...
Ab heute gibts Kartoffeln statt Gehalt! Stell' dir vor ein Chef oder dein Kunde kommt morgen früh zu dir und verkündet, dass du ab heute anstatt mit Zahlen auf deinem Konto, in Kartoffeln bezahlt wirst und zwar in denen, die es Mittags auch in der Kantine zu essen gibt. Überrascht? Enttäuscht? Entsetzt? Aber es geht noch einen Schritt weiter: Das möchte dein Chef gerne ab jetzt für immer so beibehalten, schließlich ist essen für dich wichtig und das sollte dir einiges wert sein, zum Beispiel weiter zur Arbeit zu kommen anstatt dich nach einem Alternativjob umzusehen.
Klingt nicht nach dem was du dir vorstellst? So in etwa fühlen sich die zahlreichen Hunde, die für ihre Zusammenarbeit nur die kleinen braunen Kügelchen angeboten bekommen, die ihnen morgen und abends auch im Napf präsentiert werden. Nur unsere Hunde können sich leider nicht nach einem Alternativmenschen umsehen.
Wir erwarten als Gegenleistung für unsere Arbeit steigende Zahlen auf unserem Konto. Wird diese Erwartung nicht erfüllt, sind wir enttäuscht und suchen uns unter Umständen eine Arbeit, die, was die Bezahlung angeht, mehr unseren Erwartungen entspricht. Genauso geht es auch unserem Hund. Wenn wir ihm als Gegenleistung für Dinge, die wir von ihm fordern und die für viele Hunde vollkommen unsinnig sind, nur kleine braune Brocken anbieten, die er ohnehinmal zweimal am Tag bekommt (oder noch schlimmer: garnichts), dann ist die logische Konsequenz, dass sich auch unser Hund nach Aktivitäten umschaut, die ihm mehr Spaß machen.
Und genau das ist der Knackpunkt: Unsere Belohnungen konkurrieren immer mit der Umwelt, also das was um unseren Hund vor sich geht und was ihn möglicherweise sehr interessiert. Wenn wir für ein wegspringendes Reh einen trockenen Keks anbieten, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich unser Hund für uns entscheidet ziemlich gering. Das Reh ist einfach soviel besser. Auf uns übertragen, wofür würden wir uns entscheiden: den 1000 EUR Schein als Wochenlohn oder eine Schale gekochter Kartoffeln vom Mittagessen?
Ich glaube die Antwort liegt ziemlich auf der Hand. Wir sind ganz oft trotzdem sehr verwundert, wenn unser Hund dem Reh hinterher springt und wir mit unserem Futterbrocken alleine dastehen.
Wann eine Belohnung zum Verstärker wird
Wenn wir unserem Hund eine Belohnung anbieten, beispielsweise ein Stück Futter, dann bezwecken wir damit ihm etwas Gutes zu tun, das er im besten Fall mit dem in Verbindung bringt, dass er zuvor getan hat.
Beispiel: Ich sage "Sitz", mein Hund setzt sich, ich gebe ihm einen Keks. Mein Hund wird, wenn ich das nächste mal "Sitz" sage, sich vermutlich wieder hinsetzen, weil er das Gute (den Keks) mit dem Verhalten "Hinsetzen" verknüpft hat. Er setzt sich, denn das Hinsetzen hat sich für ihn gelohnt. Er bekommt danach den Keks.
Wenn dieser Lernprozess in Gang gesetzt wird, dann sprechen wir von Belohnungen als Verstärker. Verstärker sind Konsequenzen eines Verhaltens (kommen also immer direkt danach), die dafür sorgen, dass das Verhalten (in diesem Fall das Hinsetzen) schneller, häufiger, intensiver oder langanhaltender gezeigt wird.
Wird dieser Lernprozess nicht in Gang gesetzt, wie beispielsweise bei einem Hund, der gerade volle Kanne in der Leine hängt, weil er einem Reh hinterherlaufen möchte und wir bieten ihm daraufhin einen Keks an, dann ist der Keks ein netter Versuch einer Belohnung gewesen und schmeckt dem Hund sicherlich dennoch aber er hat nicht als Verstärker gewirkt. Denn dieser Keks wird nicht dafür sorgen, dass der Hund dem Reh beim nächsten mal nicht hinterherrennt.
Das ist der große Vorteil von Training über positive Verstärkerung: Geht's mal schief, dann haben wir keinen Schaden angerichtet. Er hat uns aber auch nicht wirklich weiter gebracht. Entscheidend für erfolgreiches Training ist deshalb, dass wir uns genau überlegen müssen: Was können wir unserem Hund für gutes Verhalten als passende Belohnung anbieten. Der Keks scheint es nicht immer zu bringen und es immer wieder mit dem Keks zu versuchen in der Hoffnung ein anderes Ergebnis zu erzielen, ist wenig erfolgsversprechend.
Randnotiz: Ich habe nichts gegen Futterbelohnungen. Es ist wichtig, dass der Hund draußen Futter nimmt und viele Verhaltensweisen lassen sich mit Futter gut verstärken. Das Belohnung-Repertoire zu vergrößern ist aber meiner Ansicht nach sehr wichtig, um schnelle und anhaltende Erfolge zu erzielen.
Hobbyliste
Die Antwort auf die Frage "wie finde ich die richtigen Belohnungen für meinen Hund" ist die Hobbyliste, manche kennen sie vielleicht auch unter Top 20 Liste. Ein Achtsamkeitsspaziergang eignet sich hervorragend um diese Liste zu erstellen. Ich erstelle diese Liste für meinen Hund mindestens zweimal im Jahr neu, denn auch mein Hund verändert seine Interessen und Vorlieben und so bekomme ich immer wieder einen neuen und klaren Blick für mögliche Belohnungen, die dann auch als Verstärker für das Verhalten, das ich mir wünsche, eingesetzt werden können.
Versuche dann die Punkte, die du gefunden hast in eine Reihenfolge zu bringen: Wofür würde dein Hund alles stehen lassen? Für das weglaufende Reh? Für den geworfenen Futterball? Für eine interessante Fährte? Das wäre die Nummer eins. Sortiere den Rest nach Beliebtheit abwärts bis du eine Liste von 20 Aktivitäten hast, dazu kann auch gehören verschiedene Futtersorten zu suchen, geworfen zu bekommen, hinterherzujagen etc.. Es wäre aber schön, wenn du darüber hinaus noch mehr beliebte Aktivitäten deines Hundes in deinen Belohnungskatalog aufnehmen könntest.
Bedürfnisorientierte Belohnungen
Genau wie du gerne als Gegenleistung für deine Arbeitszeit dein Konto gefüllt haben möchtest, streben Hunde ebenso danach bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen. Das tun sie entweder ohne uns und im Alleingang oder, wenn wir diese Aktivitäten mit unseren Belohnungen aufgreifen, mit uns gemeinsam. Dadurch werden wir für den Hund zu einer Quelle für Bedürfnissbefriedigung. Unsere Hunde werden lernen können, dass wir die ihnen wirklich wichtigen Dinge aufgreifen. Das motiviert und macht es dann auch möglich, dass sie die (aus ihrer Sicht) albernsten Dinge mitmachen, wie sich von einer flüchtenden Beute abrufen zu lassen.