Wenn es uns nicht gut geht, sind wir häufig leichter reizbar und dünnhäutiger. Dinge, die wir sonst mit einem Lächeln oder Schulterzucken wegstecken, belasten uns spürbar. Wenn uns jetzt jemand vor eine sehr schwierige Matheaufgabe setzt, wird es uns schwerer fallen diese zu lösen.
Unseren Hunden geht es ganz genauso. Schmerzen und Unwohlsein sorgen dafür, dass Reaktionen heftiger ausfallen oder der Hund Verhalten zeigt, das wir sonst nicht von ihm kennen. Er vielleicht grummelig und übellaunig wirkt. Lernen wird in diesem Zustand deutlich erschwert. Das gilt nicht nur für starke gesundheitlich Probleme, sondern auch für chronische Schmerzen, wie sie beispielsweise durch Verspannungen verursacht werden.
Hunde, die beispielsweise oft Angst haben, verspannen sich sehr oft sehr stark. Die häufige und starke Kontraktion der Muskulatur führt zu Verspannungen und kann anhaltende Schmerzen verursachen. Kein Hund beginnt davon zu humpeln, aber der Stress ist chronisch, schlägt sich körperlich nieder. Ein Teufelskreis beginnt...
Henne oder Ei, was war jetzt zuerst da? Gesundheitliches Problem oder Verhaltesauffälligkeit? Wo fängt das Verhaltensproblem an und wo hört das gesundheitliche Problem auf? Die Abgrenzung ist manchmal schwierig zu treffen, denn der körperliche Zustand beinfflusst das Verhalten und umgekehrt.
Nur ein körperlich und mental gesunder Hund ist in der Lage optimal zu lernen.
Welche Erkrankungen können eine Rolle spielen?
Jede Erkrankung wirkt sich körperlich aus und kann so das Verhalten des Hundes verändern. Häufig fällt es uns erst dann auf, wenn wir das Verhalten als Problem empfinden. Der Hund beispielsweise plötzlich Dinge verweigert, mehr bellt, schnappt, beisst oder dauerhaft sehr aufgeregt ist.
Die häufigsten körperlichen Ursachen, die zu "problematischem Verhalten" führen sind:
Weitere häufige Ursachen sind:
Deshalb ist die erste und wichtigste Aufgabe der Gang zu einem guten Tierarzt. Ohne die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung kann Training nur bedingt fruchten. Wenn Probleme im Bewegungsapparat oder Schmerzen vermutet werden, empfehle ich den Gang zu einem Spezialisten.
Warum du manchmal zum Detektiv werden musst
Es ist überdurchschnittlich häufig so, dass für Verhaltensauffälligkeiten eine gesundheitliche (Mit)Ursache gefunden werden kann. Manchmal braucht es aber einiges an Durchhaltevermögen bis man diese Ursache auch gefunden hat. Meine Hündin Paula hatte beispielsweise eine angeborene Fehlbildung in der Wirbelsäule, die dafür gesorgt hat, dass ihre Nerven im hinteren Rücken dauerhaft gequetscht wurden und kaum Spielraum hatten. Es hat 6 Jahre gedauert, um diese Diagnose zu erhalten. Manchmal sind es auch ganz kleine Dinge, die einen riesen Unterschied machen und diese zu finden, ist kleinteilige Fiddelarbeit. Paula hat nie gehumpelt oder ist schlecht gelaufen. Es waren zu Beginn eine ausgeprägte Leinenaggression die auffiel und die Tatsache, dass wir trotz sehr gutem Training immer wieder unerklärliche plötzliche Rückfälle hatten.
Tierärzte unterschiedlicher Fachrichtungen haben oft einen unterschiedlichen Wissensstand zu bestimmten Erkrankungen. Daher hat sich für mich bislang der Gang zum Spezalisten immer gelohnt und ich hole mir bei Zweifeln oder wenn die Behandlung keine Besserung bringt auch gerne eine Zweitmeinung ein.
Tierärzte für Verhaltenstherapie sehen viele unterschiedliche Krankheitsbilder, die mit Verhaltensproblemen im Zusammenhang stehen können jeden Tag in ihrer Praxis und können zusätzlich wertvolle Hinweise geben, welche Erkrankung hinter einem Verhalten stecken könnte und welcher Spezialist helfen kann der Erkrankung auf den Grund zu gehen.
Ist jede Verhaltensauffälligkeit jetzt Symptom einer Erkrankung?
Nein, aber die Möglichkeit besteht und das Ausschließen von körperlichen Ursachen ist entscheidend für ein erfolgreiches Training.
Hinweise für eine körperliche Erkrankung im Hintergrund sind:
Plötzlich auftretende Verhaltensveränderungen
Beispiel: Wenn der Hund immer problemlos überall angefasst werden konnte, aber plötzlich zu knurren, zu schnappen oder auszuweichen beginnt, wenn man bestimmte Gliedmaßen anfassen möchte. Oder wenn der 12 jährige Hund plötzlich beginnt Menschen oder andere Hunde anzubellen ohne, dass es einen erklärbaren Vorfall gab. Wenn ein sonst entspannter Hund plötzlich ständig stehenbleibt und/oder nicht weiterlaufen möchte.
Plötzlich auftretende Verhaltensveränderungen sind oft eine Ursache für körperliche Erkrankungen im Hintergrund und sollten immer Anlass dazu sein, den Hund einmal einem guten Tierarzt vorzustellen. Schmerzen, organische Erkrankungen (Leber, Niere, Herz, Schilddrüse etc.) oder nachlassende Sinnesleistungen können mögliche Gründe für solche Verhaltensveränderungen sein.
Wenn Erfolge trotz gutem Trainings ausbleiben und/oder es zu ausgeprägten Rückfällen kommt ohne, dass eine Ursache erkennbar ist
Beispiel: Im Training wurde erarbeitet, dass der Hund andere Hunde auf eine gewisse Entfernung ruhig anschauen kann und dafür belohnt wird. Der Hund zeigt dieses Verhalten stabil über mehrere Wochen, plötzlich von einem Tag auf den anderen werden Hunde in weiter Entfernung wieder zum Problem und der Hund beginnt wieder sein altes Verhalten mit in die Leine springen und bellen zu zeigen. Diese Rückfälle treten immer wieder ohne erkennbaren Auslöser auf.
Unwohlsein und Schmerzen machen es manchmal unmöglich auf bereits Erlerntes zuzugreifen. Der Hund fällt in seine alten Verhaltensmuster zurück. Hier muss unbedingt nach der Ursache gesucht werden, die häufig in anhaltenden Magen-Darm-Erkrankungen oder in Schmerzen (im Bewegungsapparat) zu finden ist. Es kommen aber natürlich auch andere Ursachen in Frage. Die Klärung erfolgt in Zusammenarbeit mit einem guten Tierarzt und Spezialisten.
Wenn der Hund plötzlich Dinge verweigert, die vorher problemlos möglich waren
Beispiel: Der Hund hatte nie ein Problem in den Kofferraum ins Auto zu springen. Seit einiger Zeit steht er länger vor der Kofferraumklappe und scheint zu zögern oder steigt sehr unwillig ein.
Gerade Schmerzen im Bewegungsapparat oder bei älter werdenden Hunden kommen eher schleichend daher. Viele Hunde versuchen weiterhin "mitzuhalten", obwohl ihnen die Gräten bereits ziemlich wehtun. Auch hier lohnt es sich einen Spezialisten oder einen Physiotherapeuten aufzusuchen.
Fazit:
Häufig wird die Gesundheit mit als letztes in Betracht gezogen, wenn es um Verhaltensveränderungen oder Probleme geht. Der Hund wird als stur, launisch oder unwillig abgestempelt. Das ist unfair dem Hund gegenüber, denn nur ein gesunder Hund ist überhaupt in der Lage Training optimal umzusetzen.
Wenn eine körperliche Ursache die Verhaltensveränderungen beeinflusst, muss diese unbedingt gefunden und behoben werden damit Training schnell und gut greifen kann.
Auch übermäßig starkes Jagdverhalten kann durch gesundheitliche Aspekte befördert werden, denn Stress ausgelöst durch Erkrankungen und Schmerzen macht reaktiver und löst damit angeborene Verhaltensmuster wie Jagdverhalten schneller aus.