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Unsichere Hunde unterstützen

Nadine Weissheimer • 2. Juni 2020
Eins vorweg: Vorsichtig sein ist kein Wesensmangel, es passt als Wesenszug nur leider nicht besonders gut in unsere heutigen Lebensumstände.

Ein Hund, der dazu neigt unsicher zu sein oder eher ängstlich ist, ist nicht schlechter oder besser als sein mutiger Lebenspartner. In der Natur haben beide Wesenszüge ihre Berechtigung, auch wenn das Leben in der heute von Menschen geprägten Welt einem unsicheren Lebewesen meistens schwerer fällt. Vorsichtige Typen sind in der Wildnis jedoch genauso gefragt wie die Draufgänger, die nicht lange fackeln ehe sie in ein Loch hinein springen. Dass dort unten Gefahr lauern könnte, darüber denken solche Individuen meistens nicht lange nach. Um in der Wildnis überleben zu können, brauchte eine Spezies aber beides: die eher Vorsichtigen, die vielleicht auch mal eine Chance ziehen lassen dabei aber sicher bleiben und überleben und die Mutigen, die gerne Risiken eingehen und dabei durchaus auch ihr Leben aufs Spiel setzen.

Vorsichtig zu sein, kann also evolutionsbiolgisch durchaus ein Vorteil sein, wenn Angst jedoch Überhand nimmt und den ganzen Alltag bestimmt, dann ist es wichtig zu handeln. Chronische Angst belastet den Organismus stark, wirkt sich auf die Empfindlichkeit des Gehirns aus, führt also in eine Art Abwärtsspirale und mindert die Lebensqualität und meistens auch die Länge des Lebens enorm.

Angst zu bearbeiten ist eine Herausforderung

Wo Angst in der Natur Leben sichert, ist sie für uns mit unseren Hunden in der modernen Welt oft ein herausfordendes Trainingsgebiet. Durch die Resistenz gegen äußere Störungen kommen wir mit unseren Werkzeugen oft nicht mehr an den Hund heran, wenn er bereits Angst verspürt. Angst zieht Kreise, weil es neben dem was angeborenerweise Angst macht auch erlernte Angstauslöser geben kann und auch die Angst vor der Angst widerrum ein starkes Gefühl ist.

Mein Hund Grisu hat beispielsweise Angst vor Knallgeräuschen. Auf einem unserer Spazierwege kam es dreimal zu einem durch eine Baustelle verursachten Knallgeräusch vor dem er sich stark erschreckte. Seit dieser Erfahrung möchte er sich diesem Gassiweg nicht mehr nähern, obwohl der Angstauslöser - der Knall - nicht zu hören ist. Grisu hat den Ort mit der Angst verknüpft und seine Angst setzt nun unabhängig vom Knallgeräusch ein sobald er sich dem Ort des Knalls nähern soll.

Angst überträgt sich auch leicht auf ähnliche Auslöser. Beginnt die Angst beispielsweise mit einem Knallgeräusch, kann sie auf entfernt ähnliche Geräusche wie das Ausschütteln eines Handtuchs übertragen werden. Obwohl das Geräusch kein Knall ist, sondern nur eine stark abgeschwächte Variante davon, wird Angst ausgelöst.

Auch ist es möglich, dass andere Reize, die zufällig anwesend sind während die Angst ausgelöst wird mit der Angst verknüpft werden. Erschrickt sich ein Hund vor einem Knallgeräusch und steht zufällig direkt neben einem Kind, kann es sein, dass die Angst direkt mit dem Kind verknüpft wird und das Auftauchen des Kindes ausreicht, um die Angst auszulösen. Häufig können wir das bei Tierärzten beobachten. Viele Hunde kriegen den Tierarzt nur dann zu Gesicht, wenn ihnen etwas Unangenehmes passieren soll oder es ihnen ohnehin schon schlecht geht. Das Auftauchen des Tierarztes allein reicht bald aus, dass die Hunde stärkere Anzeichen von Angst zeigen, obwohl das Unangenehme noch garnicht begonnen hat.

Wie kann man Hunde, die generell zu ängstlichem oder unsicheren Verhalten neigen nun unterstützen?

Angst geht oftmals mit dem Gefühl einher die aufkommende Situation nicht meistern zu können. Es ist daher sinnvoll unsichere oder ängstliche Hunde darin zu unterstützen Probleme selbstständig lösen zu lernen. Sie werden  in kleinen Schritten an das Gefühl heran geführt, dass sie eben doch in der Lage sind auch herausfordernde Situationen zu meistern. Unterstützend wirken kleine Spiele und Aufgaben, die für die Hunde durchaus herausfordernd sind, von ihnen aber gemeistert werden können. Das richtige Maß zu finden, fordert hier von uns Menschen viel Einfühlungsvermögen und wir sollten unsere Hunde sehr gut dabei beobachten, um wahrzunehmen wie es uns unserem Hund gerade bei dem Spiel geht.

Wenn wir anhand der Körpersprache sehen, dass ein Hund sich eigentlich nocht nicht traut, locken wir unseren Hund niemals mit Futter in ein Spiel, denn damit bringen wir ihn in einen zusätzlichen Konflikt. Der Hund hätte gerne das Futter, traut der Situation aber noch nicht richtig über den Weg. Wenn sich der Hund für das Futter überwindet und sich dann mittendrin vor seiner eigenen Courage erschreckt, kann dieses Erlebnis die Angst erheblich verschlimmern. Daher bitte: Finger weg vom Locken bei Hunden, die offensichtlich noch nicht soweit sind.

Lieber passen wir die Spiele und die Herausforderungen an das Maß an, das der Hund noch gut bewältigen kann.

Geeignet sind Spiele aller Art, von Knobelspielen, über Versteckspiele. Man kann auch mit ganz einfachen Hütchenspielen starten. Wichtig ist, dass der Hund Stück für Stück langsam und in seinem Tempo an die Situation herangeführt und ihm die Zeit gegeben wird sich mit der Situation auseinander zu setzen.

Eine einfache Variante eines Spiels, das Problemlösestrategien schult und leicht umzusetzen ist, ist ein kleiner Karton voll mit Klorollen. Darin werden Leckerchen versteckt. Ist dieses Spiel für den Hund noch zu schwer, dann beginnt man damit, dass erstmal der Karton an sich entdeckt und erforscht werden darf. Traut der Hund sich zu anfangs nicht an den Karton heran, dann wird er in dem Abstand gefüttert, den er selbst ausgewählt hat. Schritt für Schritt tastet man sich gemeinsam mit dem Hund heran bis man ihm die Leckerchen in den Karton legen kann und er sie ohne Furcht herausfischt. Dann kann die erste Klorolle hinzu kommen, er fischt die Leckerchen heraus, dann die Zweite usw.

Im unten gezeigten Video lernt mein eher ängstlicher Hund Grisu eine Schale mit Wasser kennen. Ziel ist es, dass er Leckerchen aus den Gefäßen herausfischt. Dadurch, dass ich ihm die Leckerchen zuerst in die Gefäße, die noch außerhalb der Wasserschale lege und um die Wasserschale herum, kann er die Erfahrung machen, dass hier nur Gutes auf ihn wartet. Schritt für Schritt führe ich ihn an die Aufgabe heran, die er dann auch sehr gut meistern kann.

Auf diese Weise stärke ich das Selbstvertrauen meines Hundes und je öfter ihm solche Spiele gelingen desto mutiger wird er auch neue eigene Strategien zu entwickeln und anzuwenden. Darin sollten wir unsere Hunde bestärken, denn diese Fähigkeit wird auf den Alltag übertragen dazu führen, dass der Hund sich in Situationen mehr zutraut und eigene Lösungsstrategien entwickelt, die er der Angst entgegensetzen kann.
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